Bühne
CRAWATZO für’s Theater
Bühnenbild
Als Bühnenbildnerin darf ich mehr oder weniger herumspinnen und meiner Stückinterpretation durch die Gestaltung Ausdruck geben. Gemeinsam mit Regie und Dramaturgie wird die Erzähl- und Bildsprache der Inszenierung entwickelt.
Die Bühnenbildidee für „Die Physiker“, am Theater Trier, kam mir während einer Zugfahrt, als ich einen Reisenden im vorgeschriebenen Raucherquadrat am Bahnhof beobachtete. Sofort hatte ich das Bild der gelben markierten Fläche auf einem Rasen vor Augen. Um große Verunsicherung zu visualisieren, wollte ich diesen Rasen, den Sanatoriumspark, unbemerkt im Stückverlauf unter den Schauspielern nach oben wegziehen. Die Zimmertüren der Physiker sollten immer weiter nach oben wandern und so schwerer zu erreichen sein.
In Planzeichnungen, Skizzen, Visualisierungen und am Modell ermittelte ich die Größen und Formate. In der Bauprobe auf der Bühne wurden anschließend die Machbarkeit und Sichtlinien kontrolliert. Dem folgte die detaillierte Planung, Materialrecherche, Bestellung und die Werkstattabgabe.
Als dann in der Bühnenprobe ein Schauspieler nach hinten lief und durch seine Tür wollte, die unbemerkt schon unerreichbar war, wusste ich, dass mein Konzept aufgegangen war. Das Ausgeliefertsein steigerte sich zum Ende hin. Der Boden wurde immer schneller und auch mal ruckartig unter den Schauspielern weggezogen, Möbel fielen um, die Physiker taumelten, bis schlussendlich Frau von Zahnd mit Hilfe eines Steuerpultes den Boden komplett entriss.
Die Lichtfarbe hatte sich im Verlauf von ganz warm zu kalt gewandelt, um subtil das Unbehagen zu steigern. Die Beleuchtung ist ein ganz wesentlicher Bestandteil des Bühnenbildes und wird von Anfang an in der Planung berücksichtigt. Von wo kommt das Licht, in welcher Farbe und Intensität, welche Schatten und Zwielichter entstehen, welche Lichtstimmungen stützen Bühne und Inszenierung.
Auch Videoinstallationen können eine Bereicherung sein.
Kostümbild
Mit den Kostümen und entsprechender Maske wird das Szenenbild vervollständigt und stimmig. Ein gutes Kostüm erleichtert dem Schauspieler Zugang zu seinem Charakter zu finden.
Als sich mir die Gelegenheit bot den großartigen Roman „Der Nazi und der Frisör“ am Freien Werkstatt Theater in Köln auszustatten, freute ich mich sehr. Zusammen mit der Regisseurin Judith Kriebel starteten wir mit dem Roman, den wir auf eine kleine Bühne mit zwei Schauspielern bringen wollten. Unzählige Szenen und Charakter mussten so inszeniert und auch ausgestattet werden, dass schnelle Ort- und Personenwechsel stattfinden konnten. Ein Kostüm musste mithilfe kleiner, schneller Ergänzungen Täter und Opfer kleiden, da keine Zeit für große Umzüge war und die zwei Schauspieler beides in schnellen Wechseln verkörperten. Um den Wahnsinn und die Unglaublichkeit dieser Groteske zu transportieren, hatte ich eine clownartige, finstere Maske gewählt. Die Gesichter und Glatzen waren ganz bleich, die Augen lagen in schwarzen Höhlen. Die Schauspieler mussten sich körperlich so verausgaben, dass sie ihre Maske ins Zerrissene, Deformierte schwitzten.
„Der permanente Rollenwechsel, großartig inszeniert (von Judith Kriebel) und ebenso großartig gespielt, ist eine adäquate künstlerische Umsetzung des Inhalts, der sich immer wieder darum dreht: wer bin ich und wie kann ich mich neu erfinden? Das Publikum applaudiert begeistert, Till Brinkmann und Philipp Sebastian kann man nur eines attestieren: dass sie unter die Haut zu gehen vermochten. So sehr, dass man nach 100 Minuten den Wunsch verspürt, mit anderen über das Gesehene zu sprechen. Weil es so beklemmend war. So aberwitzig. So unglaublich. Und doch auch so glaubhaft. Das ist das Bestürzende.
meinesuedstadt.de // 01.02.2016
„Starker Tobak und ein starkes Stück Theater, das Hilsenraths Text in atemberaubend schnelle, grelle Slapstick-Szenen auflöst, ohne dabei sein Thema zu verraten. Philipp Sebastian und Till Brinkmann verkörpern Täter und Opfer mit beängstigender Intensität, zwei clowneske Untote aus dem Schattenreich, deren Identitäten mal verschwimmen, mal auseinanderdriften – eine großartige, physisch stark fordernde Leistung. Die Schwingtüren der kongenialen Bühne halten die Aufführung in ständiger Spannung und Bewegung. Dass die elementaren Fragen nach Schuld und Moral dabei nicht untergehen, ist das große Verdienst dieser Inszenierung.“
Kölnische Rundschau // 29.01.2016